EDA 46: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol. 4
VIII: Hugo Herrmann – Seraphische Musik für Klavier, Ludus sopra antiphonae "In paradisum" (1951) Bitte wählen Sie einen Titel, um hineinzuhören
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I: Hugo Herrmann – Sonate für Violine und Klavier op. 17 (1925)
01 Fließend, quasi andante
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I: Hugo Herrmann – Sonate für Violine und Klavier op. 17 (1925) 01 Fließend, quasi andante 02 Preludio, larghetto con molto espressione
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I: Hugo Herrmann – Sonate für Violine und Klavier op. 17 (1925) 02 Preludio, larghetto con molto espressione 03 Vivace quasi scherzando
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II: Hugo Herrmann – Toccata gotica für Klavier op. 16I: Hugo Herrmann – Sonate für Violine und Klavier op. 17 (1925) 03 Vivace quasi scherzando 04 Toccata gotica
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III: Hugo Herrmann – Invocation für Klavier op. 18b Nr. 1 (1925)II: Hugo Herrmann – Toccata gotica für Klavier op. 16 04 Toccata gotica 05 Invocation
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927)III: Hugo Herrmann – Invocation für Klavier op. 18b Nr. 1 (1925) 05 Invocation 06 Athen
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 06 Athen 07 Euboia
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 07 Euboia 08 Klagegesang
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 08 Klagegesang 09 Der Tanz um das hölzerne Pferd
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 09 Der Tanz um das hölzerne Pferd 10 Delphische Rhapsodie
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IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 10 Delphische Rhapsodie 11 Serenade der Räuberbande
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V: Leon Klepper – Deux Danses pour piano (1932)IV: Felix Petyrek – 6 Griechische Rhapsodien für Klavier (1927) 11 Serenade der Räuberbande 12 Deux Danses Nr. 1
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V: Leon Klepper – Deux Danses pour piano (1932) 12 Deux Danses Nr. 1 13 Deux Danses Nr. 2
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VI: Isco Thaler – In the Rabbi's Court für KlavierV: Leon Klepper – Deux Danses pour piano (1932) 13 Deux Danses Nr. 2 14 In the Rabbi's Court
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VII: Isco Thaler – Sabbath's End für KlavierVI: Isco Thaler – In the Rabbi's Court für Klavier 14 In the Rabbi's Court 15 Sabbath's End
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VIII: Hugo Herrmann – Seraphische Musik für Klavier, Ludus sopra antiphonae "In paradisum" (1951)VII: Isco Thaler – Sabbath's End für Klavier 15 Sabbath's End 16 Präambulum
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VIII: Hugo Herrmann – Seraphische Musik für Klavier, Ludus sopra antiphonae "In paradisum" (1951) 16 Präambulum 17 Evocation
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VIII: Hugo Herrmann – Seraphische Musik für Klavier, Ludus sopra antiphonae "In paradisum" (1951) 17 Evocation 18 Pastorale in paradiso
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VIII: Hugo Herrmann – Seraphische Musik für Klavier, Ludus sopra antiphonae "In paradisum" (1951) 18 Pastorale in paradiso Zwanzig Jahre sind seit dem Erscheinen der ersten CD der Reihe Franz Schreker's Masterclasses in Vienna and Berlin verstrichen – eine lange Zeitspanne, in der das Schaffen vieler Studenten bzw. Studentinnen Schrekers nach Jahrzehnten des Vergessens und Verdrängens allmählich breitere Beachtung fand. Als 2000 mit der Klaviermusik von Felix Petyrek (EDA 17) einer der bedeutendsten, seinerzeit berühmtesten Schreker-Schüler die CD-Reihe eröffnete, stand die Erforschung der in ihrer musikstilistischen Vielfalt im deutschem Sprachraum einzigartigen Berliner Kompositionsklasse Schrekers erst am Anfang. Nach der geradezu spektakulären Wiederentdeckung von Berthold Goldschmidt in den 1990er Jahren erschienen 1998 sowohl Ernst Kreneks Autobiographie Im Atem der Zeit – ein postum ediertes, außerordentlich detailreiches Kompendium voller Boshaftigkeit und Häme gegenüber den meisten seiner Weggefährten – als auch Lisa Mahns Biographie ihres einstigen Lehrers (und Kreneks Studienkollegen) Felix Petyrek. Zwei Jahre später folgte Barbara Buschs grundlegendes Buch über Berthold Goldschmidts Opern im Kontext von Musik- und Zeitgeschichte und Martin Schüsslers Arbeit über Karol Rathaus. Die klingende Vergegenwärtigung dieser Musik vollzog sich seither weitgehend dank etlicher CD-Produktionen; im Konzertbetrieb stößt man jedoch eher selten auf Werke jener Schreker-Schüler, die im Musikleben der Weimarer Republik einen durchaus prominenten Rang einnahmen. Mit dem von Dietmar Schenk, Markus Böggemann und Rainer Cadenbach 2005 herausgegebenen Lexikon Franz Schrekers Schüler in Berlin wurde 71 Jahre nach Schrekers allzu frühem Tod endlich ein Kompendium vorgelegt, das nicht nur die Lebenswege sämtlicher Schüler Schrekers aus dessen Berliner Lehrtätigkeit 1920 bis 1933, sondern ebenso Aspekte ihrer Beziehung zu Schreker und den Verbleib ihrer Nachlässe dokumentiert. Auf diese fundamentale Quelle sei hier explizit in Hinblick auf biographische Informationen zu den Komponisten vorliegender CD verwiesen. So vereint diese CD Werke von Komponisten, die mit Ausnahme von Felix Petyrek (der zwischen 1912 und 1919 bei Schreker in Wien studierte) praktisch gleichzeitig im Berlin der frühen 1920er Jahre an der Hochschule für Musik wesentliche Impulse erhielten. Ihre Biographien könnten indessen gegensätzlicher nicht sein: Hugo Herrmann und Felix Petyrek, beide prominente Persönlichkeiten der Neuen Musik im Deutschland der 1920er Jahre, gerieten nach 1933 auf jeweils unterschiedliche Weise in die Maschinerie der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Spätestens während der von Hugo Herrmann initiierten Pfullinger Kammermusik (1931–1933) dürfte es am 3. Mai 1932 bei einem Klavierabend von Else Herold mit Werken von Petyrek und Herrmann (Toccata gotica op. 16) zur persönlichen Begegnung der beiden Schreker-Schüler gekommen sein, die dann von 1935 bis 1939, dem Jahr von Petyreks Berufung nach Leipzig, gleichzeitig in Stuttgart lebten. Für Leon Klepper und Isco Thaler wurde aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Israel zum Exilland – für Klepper jedoch nur vorübergehend, der es nach fünfjährigem Jerusalem-Aufenthalt verließ, um seinen Wohnsitz in Freiburg im Breisgau zu wählen. Hugo Herrmanns Sonate für Violine und Klavier op. 17 aus dem Jahr 1925 eröffnet das Programm: ungeachtet ihrer tradierten Dreisätzigkeit ein ausgesprochen experimentelles Werk, das sowohl die Eindrücke, die Herrmann im Winter 1922/23 bei Schreker in Berlin sammeln konnte als auch die Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Organist in Detroit von 1923 bis 1925 in aller Intensität reflektiert. Auffallend sind im freitonal schwebenden 1. Satz zahlreiche Momente minimalistischer Rotation kleinster Tongruppen, denen eine geradezu expressionistische, raumgreifende individuelle Gestik der beiden Instrumente als größter Kontrast gegenübersteht. Mit all seinen komponierten stilistischen Brüchen erinnert dieser Satz an Werke von Charles Ives, dessen avantgardistische Tonsprache Hugo Herrmann möglicherweise während seines zweijährigen USA-Aufenthalts kennengelernt hat. Erstaunlich ist am Satzende die klangliche Verschmelzung beider Instrumente, die bis dahin in strenger Linearität nebeneinander geführt sind: In den letzten 10 Takten verbinden sich Violine und Klavier in einem immer weiter expandierenden, rauschhaft sich umschlingenden bitonalen Gesamtakkord aus C-Dur und Es-Dur (als Septakkord) – ein harmonisches Schreker-Szenario wie im Vorspiel der Gezeichneten. Höchst unkonventionell gestaltet Herrmann den langsamen Satz als düster-pathetisches polyphones Lamento der Violine allein, als spannungsvolles Preludio zum unmittelbar anschließenden Finalrondo, das klanglich wiederum durch rhythmisch und metrisch individuell geprägte Linearität von Violine und Klavier bestimmt ist. So ergeben sich hier ähnlich wie im 1. Satz Momente äußerster harmonischer Konfrontation, die sich erst in der Coda über dem Orgelpunkt C des Klaviers allmählich zu einem gemeinsamen C-Dur von Violine und Klavier wandeln. In einem Porträt Hugo Herrmanns in der Neuen Musik-Zeitung 1928 (49. Jg., Heft 14) findet sich folgende Charakterisierung seiner frühen Chorwerke: "… Polyphonwelten, in denen sich archaisierendes Empfinden, alte Orgelmixturenkunst und Busoni-Schönbergsche Stilprogrammatik wechselvoll spiegeln." Auch nach über 90 Jahren haben diese Worte nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt, sie lassen sich ebenso zutreffend auf die hier präsentierten drei gegensätzlichen Frühwerke Herrmanns der Jahre 1925/26 beziehen, die das außerordentlich facettenreiche Ausdrucksspektrum dieses Komponisten offenbaren. Gemahnt der Titel der Wilhelm Kempff gewidmeten Toccata gotica op. 16 an Busonis Essay Die "Gotiker" von Chicago, an seine Würdigung von Bernhard Ziehn und Wilhelm Middelschulte, die sich in Chicago einer harmonischen Neubelebung uralter mitteleuropäischer polyphoner Traditionen widmeten, so erweist sich dieses in sich stark segmentierte Werk als fulminantes orgelinspiriertes Virtuosenstück. Kontrastierend steht der Toccata gotica die bislang unveröffentlichte Invocation op. 18b Nr. 1 gegenüber – ein im Juli 1925 komponiertes Notturno (so nennt es Hugo Herrmann in einem späteren Werkverzeichnis), angeregt durch das Bild Herbstwald am See des Widmungsträgers und Malerfreundes Fritz Sprandel (siehe das Cover dieser CD). Hugo Herrmann zeigt sich in dieser Miniatur als Klangpoet, dessen Melodik und Harmonik hier eine gewisse Affinität zur Musik Alban Bergs erahnen lassen. Als einer der Pioniere der Neuen Musik in Deutschland, zudem als Komponist der 1930 erfolgreich in Wiesbaden uraufgeführten Oper Vasantasena nach einem Libretto von Lion Feuchtwanger galt Hugo Herrmann den Nationalsozialisten zunächst als Schöpfer "entarteter Musik" – ein Verdikt, dem er sich auf rettende, indessen fragwürdige Weise entzog: durch Bearbeitung des schändlichen Horst-Wessel-Lieds für das von Herrmann als Konzertinstrument propagierte Akkordeon ebenso wie durch seinen späteren Eintritt in die NSDAP 1939 – die Hugo Herrmann jedoch 1944 wieder verließ. Ungeachtet dieses Makels zählt Herrmann als Komponist, Chorleiter, Pädagoge und Initiator zahlreicher Festivals für Neue Musik zu den interessantesten, vielseitigsten Künstlerpersönlichkeiten aus den ersten Jahren von Schrekers Berliner Lehrtätigkeit. Felix Petyrek stand in den ersten Jahren seines Schaffens wie die meisten seiner Studienkollegen unter dem stilistischen Einfluss seines Lehrers, von dem er sich in den frühen 1920er Jahren teilweise mit sarkastischem Humor musikalisch emanzipierte. Beredtes Beispiel für diesen Prozess der Trennung stellt sein Irrelohe Foxtrott für Klavier (EDA 17) dar, eine Parodie von beißendem Witz auf Schrekers gleichnamige Oper. Petyreks vielfältiges Wirken als Komponist in allen Gattungen, Pianist Neuer Musik und leidenschaftlicher Pädagoge ist in den 1920er Jahren wesentlich geprägt von der Suche nach einem Lebenszentrum, einer Suche, die ihn schließlich 1926 für knappe vier Jahre nach Athen führte. Als Professor für Klavier am Odeon empfing Petyrek in der griechischen Metropole gerade in den ersten Monaten seit seiner Ankunft am 2. November 1926 faszinierende Eindrücke einer ihm ganz fremdartig erscheinenden Kultur. Die Begegnung mit uralten byzantinischen Tonskalen, nicht minder der Zauber archaischer Volksfeste und Rituale inspirierte Petyrek zu den 6 Griechischen Rhapsodien, über deren Entstehung er seinem Freund, Opernlibrettisten und Mäzen Hans Reinhart am 1. Juni 1927 berichtet: "Ich habe Ende Mai 6 griechische Klavierstücke geschrieben, ein ziemlich neuer Stil mit Verwendung der einheimischen Skalen und Gestaltungsprinzipien. Einige bezeichnen sie als mein bestes Werk. Ich möchte sie gleich in Druck geben." In der Tat stellen diese 6 Griechischen Rhapsodien, die Petyrek bereits am 20. August 1927 in einem Klavierabend in Dornach (CH) zur Uraufführung brachte und die 1929 bei der Universal-Edition Wien erschienen, zusammen mit der 1928 komponierten 3. Klaviersonate (EDA 17) einen Höhepunkt in Petyreks umfangreichem pianistischen Œuvre dar. Nicht nur in ihrer harmonischen Originalität jenseits des europäischen Dur-Moll-Systems und ihrer von changierenden Metren geprägten rhythmischen Energie spiegeln diese Rhapsodien eindringlich Atmosphäre, Szenarien und Legenden des griechischen Lebens – auch in klanglicher Hinsicht lotet Petyrek alle Extreme aus, namentlich die dunkelsten Register des Klaviers (Schluss von Nr. 2 Euboia, Nr. 3 Klagegesang, Beginn von Nr. 4 Der Tanz um das hölzerne Pferd), zudem verwendet er immer wieder clusterartige Effekte bzw. schnellste Tonrepetitionen (in Nr. 3), die ihre Inspiration durch verschiedenste Schlaginstrumente unmittelbar erkennen lassen. Mit satztechnischem Raffinement erweitert Petyrek im ersten Teil des Tanz um das hölzerne Pferd den anfangs in völliger Unabhängigkeit der beiden Stimmen gestalteten zweistimmigen Satz zum vierstimmigen Nebeneinander metrisch gänzlich unterschiedlicher Abläufe. Dieser Komplexität der Textur steht eine formal in allen Rhapsodien – mit Ausnahme der letzten – recht klar nachvollziehbare, teilweise durch lange Pausen stark segmentierte Dreiteiligkeit nach dem Modell A-B-A gegenüber. Es gehört zur Tragik des Lebensweges von Petyrek, dass er bald nach seiner Rückkehr nach Mitteleuropa – 1930 führte ihn ein Ruf an die Hochschule für Musik Stuttgart als Nachfolger von Wilhelm Kempff – in Konflikt mit der "Kulturpolitik" der Nationalsozialisten geriet: Als bei zahlreichen Festivals Neuer Musik in der Weimarer Republik aufgeführter Komponist, zudem als Mitglied der linkspolitisch orientierten "Novembergruppe" musste er mit Werken wie den Griechischen Rhapsodien (und vielen anderen der 1920er Jahre) 1933 ins Visier der Nazis geraten. Die Fortsetzung seiner Stuttgarter Professur wurde an den Eintritt in die NSDAP gekoppelt, auch schlugen spätere Pläne einer Auswanderung in die Schweiz fehl. Die meisten der avantgardistischen Kompositionen Petyreks der späten 1910er bis frühen 1930er Jahre verschwanden somit ab 1933 aus den Konzertprogrammen; erst die letzten beiden Jahrzehnte brachten eine allmähliche Wiederentdeckung dieses faszinierenden musikalischen Kosmopoliten. Der rauhen, teilweise ekstatisch entfesselten Virtuosität von Peytreks Griechischen Rhapsodien mit ihrem eigenen orientalischen Kolorit entsprechen die nur fünf Jahre später 1932 entstandenen Deux Danses des Rumänen Leon Klepper auf geradezu überraschende Weise. Schnelle, extreme Registerwechsel, bitonale Konfrontationen und eine melismatische, immer wieder von übermäßigen Sekunden geprägte Melodik bestimmen die beiden in modalem c-Moll tonartlich eng miteinander verbundenen Tanzsätze, die neben folkloristischen auch jazzinspirierte Einflüsse erkennen lassen: Namentlich der wilde Schluss des ersten Stücks wirkt wie eine pianistische Apotheose des Jazz der späten 1920er Jahre, gleichsam ein orgiastischer Tanz am Rande des Abgrunds. Kein Geringerer als der 15-jährige Dinu Lipatti brachte die Deux Danses 1932 zur Uraufführung. Vollzog sich Leon Kleppers Leben und Wirken im künstlerisch vielfältig inspirierenden Spannungsfeld zwischen Deutschland (Studium bei Franz Schreker – und späte Rückkehr im Alter), Frankreich (Studium bei Paul Dukas), Rumänien (Professur für Komposition) und Israel, so verschwinden die Spuren seines Studienkollegen Isco Thaler im jungen Staat Israel. Allzuwenig ist über diesen aus Galizien stammenden Komponisten bekannt, den Ernst Krenek in seiner Autobiographie Im Atem der Zeit rückblickend charakterisiert: "… ein pittoresker, sonderbarer junger Jude, der sehr zurückhaltend war, so dass er hochmütig und arrogant wirkte. Er arbeitete extrem langsam und brachte in mehreren Wochen nicht mehr als ein paar Takte einer Musik hervor, die absolut unverständlich zu sein schien." Letzteres Attribut wird indessen durch die beiden 1950 in einem kleinen israelischen Verlag erschienenen Klavierstücke In the Rabbi's Court und Sabbath's End beredt widerlegt: intime Miniaturen von sakralem Zauber, deren melodisches Material unmittelbare Nähe zu traditionellen jüdischen Gesängen offenbart. So erinnert der monodische Beginn des ersten Stücks an einen Vorsänger in der Synagoge – und zugleich sogar an die Anfangstakte von Schrekers 1928 uraufgeführter Oper Der singende Teufel. In beiden jeweils dreiteilig angelegten Stücken fasziniert die in kleinsten chromatischen Schritten polyphon gestaltete Harmonisierung der melodischen Hauptstimme. Neben den Beiträgen, die Isco Thaler für die Celloschule seines Freundes Joachim Stutschewsky schrieb – der wiederum seine Three Pieces for Piano aus dem Jahre 1941 Thaler widmete –, stellen diese zwei Miniaturen eines der wenigen Zeugnisse eines Komponisten dar, dessen Biographie ebenso wie sein Schaffen jenseits der Berliner Studienjahre 1920–1923 bei Schreker völlig im Dunkeln liegt. 1951 schrieb Hugo Herrmann die Seraphische Musik – Ludus sopra antiphonae "In paradisum", gleichsam ein Bekenntniswerk des gläubigen Katholiken, der es 1952 und 1954 für den SDR Stuttgart bzw. BR München aufnahm. Allen drei Sätzen liegt der gregorianische Gesang des "In paradisum" zu Grunde, im zweiten Satz Evocation, dem dramatischen Höhepunkt des Triptychons, erscheint zudem das B-A-C-H-Motiv in verschiedensten Transpositionen, schließlich auch in seiner Originalgestalt. Fernab aller stilistischen Klassifizierungen offenbart sich eine Musik, die im Präambulum wie aus einer längst vorhandenen, indessen unhörbaren Bewegung zu entstehen scheint – eine archaische polyphone Architektur von erhabener Weite des Raums, die einmal mehr an Busonis Würdigung Die "Gotiker" von Chicago gemahnt. Hugo Herrmann gestaltet in diesem Triptychon eine Klangwelt, die der Rasanz des Wiederaufbaus in Westdeutschland nach der Apokalypse 1945 ein radikales Innehalten, ein Meditieren in Harmonien entgegensetzt, die die tradierten Kategorien von Konstanz und Dissonanz transzendieren. Jähe Kontraste der Dynamik und Klangregister prägen die sich stets zu neuen ekstatischen, geradezu bedrohlichen Ausbrüchen steigernde Evocation, die schließlich in leisesten, düsteren Farben erlischt. Pastorale in paradiso greift auf Bewegungsmodelle des Präambulum zurück, verwandelt diese jedoch zu ritualhaft perpetuierenden Ostinati, zu denen der eigentliche Cantus firmus gleichzeitig in unterschiedlichen Geschwindigkeiten hinzutritt: So entwickelt sich ein magisches, gleichsam minimalistisches Kontinuum, das erstaunliche harmonische Konstellationen entstehen lässt. Wie die vorangehenden beiden Sätze, so erstirbt auch das Pastorale in paradiso im explizit bezeichneten morendo. Als höchst individuelles klingendes Zeugnis eines bekennenden Katholiken reiht sich die Seraphische Musik in eine Tradition religiös inspirierter Klavierwerke, die von Liszt zu Messiaen führt, die zugleich rückblickend Eindrücke der Alten und Neuen Welt zu einer faszinierenden Synthese verbindet. Ein besonderer herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Andreas Fallscheer-Schlegel für seine vielfältige Unterstützung dieser CD. Dank auch an Pof. Dr. Friedrich Frischknecht für die Bereitstellung des Gemäldes Herbstwald am See von Fritz Sprandel für das Cover dieser CD und an Daniel Lienhard für eines der wenigen erhaltenen Porträts von Leon Klepper. Kolja Lessing März 2020
eda records | Kannegiesser, Maillard & Harders-Wuthenow GbR | Erkelenzdamm 63 | 10999 Berlin | Germany | info@eda-records.com
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