EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928) Please select a title to play
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I: Variations and Fugue in C major (1915)
1 Theme and Variations
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
I: Variations and Fugue in C major (1915) 1 Theme and Variations 2 Fugue
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
II: From: Six Grotesque Piano Pieces (1919–20)I: Variations and Fugue in C major (1915) 2 Fugue 3 Wurstelprater
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
II: From: Six Grotesque Piano Pieces (1919–20) 3 Wurstelprater 4 Official Reception
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
II: From: Six Grotesque Piano Pieces (1919–20) 4 Official Reception 5 A Nocturne Adventure
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
III: Suite on the Name Szegoe (1924)II: From: Six Grotesque Piano Pieces (1919–20) 5 A Nocturne Adventure 6 Toccata
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
III: Suite on the Name Szegoe (1924) 6 Toccata 7 Allemande
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
III: Suite on the Name Szegoe (1924) 7 Allemande 8 Courante
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
III: Suite on the Name Szegoe (1924) 8 Courante 9 Sarabande
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
III: Suite on the Name Szegoe (1924) 9 Sarabande 10 Gigue
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
IV: Irrelohe Foxtrott (1922)III: Suite on the Name Szegoe (1924) 10 Gigue 11 Irrelohe Foxtrott
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928)IV: Irrelohe Foxtrott (1922) 11 Irrelohe Foxtrott 12 Allegro vivo ma non troppo
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928) 12 Allegro vivo ma non troppo 13 Andante con moto
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928) 13 Andante con moto 14 Misurato, non allegro
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928) 14 Misurato, non allegro 15 Rondo. Presto
EDA 17: Franz Schreker\'s Masterclasses in Vienna and Berlin – Vol.1: Felix Petyrek
V: Sonata no. 3 (1928) 15 Rondo. Presto
english translation not (yet) available. apologies. german version below.
Vorwort Nach einer der russisch-jüdischen Avantgarde der 20er und 30er Jahre gewidmeten Serie Across Boundaries (EDA 12, 14 und 16) unternimmt die Edition Abseits nun mit Kolja Lessing als Interpreten eine weitere Entdeckungsreise in unbekanntes pianistisches Repertoire des 20. Jahrhunderts: sie gilt den Komponisten der Meisterklassen Franz Schrekers (1878–1934). 1912, im Jahr der spektakulären Frankfurter Uraufführung seiner Oper Der Ferne Klang, hatte Schreker die Nachfolge seines Lehrers Robert Fuchs am Wiener Konservatorium angetreten. Neben Busoni und Schönberg galt er bald als Instanz in Sachen fortschrittlicher Pädagogik, seine Klasse war die Talentschmiede schlechthin. In Wien zählten zu seinem Schülerkreis u. a. Ernst Křenek, Alois Hába, Artur Rodzinski, Felix Petyrek, Karol Rathaus, Wilhelm Grosz und Max Brand. 1920, auf dem Höhepunkt seines Ruhms, folgte Schreker dem Ruf als Direktor der Berliner Musikhochschule auf einen der einflussreichsten und auch verantwortungsvollsten Posten im Musikleben der jungen Republik. Mit ihm gingen Křenek und Hába, hinzu kamen, neben vielen anderen, das Wunderkind Ignace Strasfogel (mit 14 Jahren der jüngste ordentliche Student der Hochschule), Berthold Goldschmidt, Jerzy Fitelberg, Hans Schmidt-Isserstedt und – nicht gerade gewöhnlich für die Zeit – auch Studentinnen wie Grete von Zieritz und Zdenka Ticharich. Nur wenige dieser Namen, die das Musikleben der ersten Jahrhunderthälfte als ausübende Musiker, Dirigenten und Komponisten, viele dann selber als Lehrer nachhaltig prägen sollten, haben den Weg ins Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit zurückgefunden, wie etwa Berthold Goldschmidt, oder, weniger nachhaltig, Karol Rathaus und Ignace Strasfogel. Die Porträt-CD mit Klavierwerken Felix Petyreks bildet den Auftakt zu einer von Kolja Lessing initiierten, zunächst auf drei CDs projektierten Reihe, die klingende Anstöße geben will zur Beschäftigung mit einer Gruppe von Künstlern, die zu den begabtesten und bekanntesten ihrer Generation gehörten. Die Frage nach einem verbindenden Element, das den Begriff "Schreker-Schule" rechtfertigen würde, ist dabei nicht ohne Reiz, steht aber keineswegs im Vordergrund. Frank Harders-Wuthenow
Franz Schrekers Meisterklassen in Wien und Berlin Vol. 1: Felix Petyrek – als Komponist nach dem Ersten Weltkrieg international berühmt, umstritten und als Pianist und Pädagoge beredter Anwalt der Neuen Musik – zählt zu den interessantesten Musikerpersönlichkeiten, die aus Franz Schrekers Wiener Kompositionsklasse hervorgegangen sind. Zusammen mit seinen Studienkollegen Ernst Křenek und Alois Hába, mit dem Petyrek in lebenslanger Freundschaft verbunden blieb, wurde er zu Beginn der 1920er Jahre rasch als Komponist individueller Prägung bekannt: von Kollegen geschätzt, von Kritikern kontrovers diskutiert. Felix Petyrek wurde am 14. Mai 1892 in Brünn geboren; seine Vorfahren stammten aus Mähren und zeichneten sich durch rege musikalische Tätigkeit aus – diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit Musik prägte auch die Jugend Felix Petyreks und seiner drei jüngeren Schwestern. Umfassenden Musikunterricht erhielt Felix Petyrek durch seinen Vater, der als Organist in Olmütz, später als Lehrer und Chorleiter in Brünn und ab 1893 in Wien wirkte. An der Wiener Musikakademie studierte Felix Petyrek Komposition bei Franz Schreker, Klavier bei Leopold Godowsky und Emil Sauer, außerdem Musikwissenschaft an der Universität bei Guido Adler. Unterbrochen wurden seine Studien vom Ersten Weltkrieg, den Petyrek zwar nicht an der Front, doch in der Rolle als Bewachungssoldat von Kriegsgefangenen erlebte: Auf diese Weise kam Petyrek erstmals mit Volksliedern aus Osteuropa, vor allem aus Russland und der Ukraine, in Berührung. Ende 1918, unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie folgte eine tiefgreifende persönliche Krise - fast scheint es, als hätten die Ereignisse des Jahres 1918 mit ihren politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen das weitere Leben Petyreks in geradezu schicksalhafter Weise bestimmt; sein Schaffen reflektiert diesen Verlust äußerer und innerer Stabilität am deutlichsten in den Sechs grotesken Klavierstücken. 1919 beendete Petyrek seine Studien bei Franz Schreker, anschließend wirkte er bis 1921 als Klavierpädagoge am Mozarteum Salzburg und übernahm danach eine ungenügend honorierte Lehrtätigkeit in Berlin, wo Petyrek im Inflationsjahr 1923 unmittelbar vor einem ernsthaften gesundheitlichen Zusammenbruch stand. In dieser Notlage erwies sich der Kontakt zu den Brüdern Hans und Werner Reinhart in Winterthur, jenen bedeutenden Mäzenen der Kunst und Musik, als rettend und richtungweisend. Durch den Schriftsteller Hans Reinhart, mit dem Petyrek in lebenslanger Freundschaft und enger musikdramatischer Arbeit verbunden blieb, wurde ein Aufenthalt in der anthroposophisch geleiteten Klinik in Arlesheim (Schweiz) ermöglicht, wo Petyrek auch in persönlichen Kontakt mit Rudolf Steiner kam; Petyreks langsame Genesung stand unter dem Zeichen einer bewussten Hinwendung zur Anthroposophie Rudolf Steiners. Die Jahre 1925 und 1926 brachten für Petyrek neben wichtigen Erfolgen u. a. bei den Donaueschinger Kammermusikfesten und zahlreichen Aufführungen seines Bühnenwerkes Die arme Mutter und der Tod die Entfaltung einer selbständigen Lehrtätigkeit unter dem Titel "Freie Klasse für Klavier und Komposition", die er in Abbazia (heute: Opatija, Slowenien), später auch in Salzburg im Sinne von umfassend orientierten theoretischen und praktischen Fortbildungskursen realisierte. 1926 folgte Petyrek einem Ruf als Klavierprofessor an das Odeon in Athen: eine Entscheidung, die unabhängig von gewiss partiell relevanten wirtschaftlichen Überlegungen Petyreks enge kulturelle Affinität zum südosteuropäischen Raum beweist. Hatte Petyrek anfangs noch eine feste Tätigkeit am Goetheanum in Dornach als Alternative zum "griechischen Abenteuer" erwogen – wie es Petyrek in einem Brief vom 9.September 1926 an Hans Reinhart benannte –, so überwog schließlich die Sehnsucht nach Neuem, auch eine berechtigte Skepsis: "So sehr ich Dornach liebe, die Gefahr eines gewissen Mönchtums ist da. (...) Dazu habe ich in Athen völlige Freiheit und brauche auf niemand Rücksicht zu nehmen." Dank seiner außergewöhnlichen Fähigkeit, sich in fremde sprachliche und musikalische Idiome sofort einzuleben, konnte Petyrek bereits 1927 seine Vorlesungen über Klavierliteratur in Neugriechisch halten; gleichermaßen befruchtend wirkten auf ihn die Beschäftigung mit byzantinischer Musik und die Eindrücke traditioneller griechischer Volkstänze, wie sie Petyrek bei verschiedenen Gelegenheiten kennenlernen konnte. Als Nachfolger von Wilhelm Kempff übernahm Felix Petyrek 1930 eine Professur an der Stuttgarter Musikhochschule, womit er zwar ins mitteleuropäische Musikleben zurückkehrte, jedoch in den Jahren des aufkommenden Nationalsozialismus sich ungeahnten Schwierigkeiten ausgesetzt sah. Petyrek – Mitglied der 'Novembergruppe' in Berlin und überzeugter Anthroposoph – galt durch sein kompositorisches und pianistisches Wirken als engagierter Exponent der Moderne, war somit persona non grata für die immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten. Ließen sich Petyreks menschlich-künstlerische Ideale kaum mit der Ideologie des Naziregimes vereinbaren, so geriet er auf Grund prekärer finanzieller Verhältnisse (der lange laufende Scheidungsprozess von seiner ersten Frau brachte immense pekuniäre Probleme mit sich) und persönlicher Repressalien in die ausweglose Situation, seinen Anfeindungen, namentlich seinem drohenden Amtsentzug in Stuttgart nur durch Mitgliedschaft in der NSDAP entgehen zu können. Mit diesem Zugeständnis an das Naziregime, das Petyrek bei aller persönlichen Integrität und seiner inneren Ablehnung gegenüber dem politischen Terror einzig als Überlebensstrategie wählte, zumal sich Emigrationspläne in die Schweiz mehrfach zerschlagen hatten, konnte er seine Lehr- und Konzerttätigkeit einigermaßen ungehindert weiter ausüben. Über Petyreks pädagogisches Wirken berichtet sein damaliger Schüler Heinz Koch (Herrenberg) in einem Brief an den Verfasser vom 4. November 1992: "Er genoß – wohl mit Recht – damals den Ruf des besten Tonsatzlehrers in Stuttgart. Seine Unterweisung war sachkundig und zugleich einfühlsam, zudem – sicherlich im Gegensatz zu dem 'gestrengen' J. N. David – betont 'tolerant'. (...) Petyrek ließ in sensibler Zuwendung der Eigen-Entfaltung seiner Schüler freien Raum. Dies empfanden wir als unschätzbaren Vorzug." Konzerte und Kompositionen für zwei Klaviere gewannen fortan Bedeutung: Petyreks Duopartnerin Helene Renate Lang wurde in zweiter Ehe 1938 seine Gattin; im darauffolgenden Jahr wechselte Petyrek als Theorielehrer an die Musikhochschule Leipzig. Besondere Beachtung verdient der Bericht von Petyreks Leipziger Schülerin und späterer Biographin Lisa Mahn über sein pädagogisches, gleichsam diplomatisches Geschick, seine Studenten in jenen Jahren mit Werken damals verfemter, unerwünschter Komponisten ohne deren Namensnennung doch vertraut zu machen - nach der Devise: Nicht der Autor, sondern die Musik allein sei die Hauptsache... Am erstaunlichsten ist wohl die Tatsache, dass Petyreks ganz vom Geist der Anthroposophie erfüllte zweite Oper Der Garten des Paradieses am 1. November 1942 in Leipzig zur Uraufführung gelangen konnte – wenige Monate zuvor war sein erster Sohn Robert als Soldat in Frankreich gefallen. Petyreks Brief vom 2. September 1942 an seine Schwester Anni bringt seine Trauer, zugleich sein Entsetzen über den von den Nationalsozialisten entfachten Kriegsterror lapidar zum Ausdruck: "Es ist doch das Schlimmste, ein Kind fürs Vaterland zu opfern." Trotz der großen pädagogischen und persönlichen Verdienste, die sein von Kriegswirren überschattetes Wirken in Leipzig auszeichneten, blieb Petyrek die Amtsenthebung nach Kriegsende 1945 nicht erspart. Während Johann Nepomuk David als einstiger Rektor der Leipziger Musikhochschule, der selbst vor der Vertonung von Worten des "Führers" nicht zurückgescheut hatte, rasch an der Stuttgarter Musikhochschule Fuß fassen konnte, zerschlugen sich für Petyrek sowohl die Hoffnung auf Fürsprache Davids bei Neubesetzungen in Stuttgart als auch die Aussicht auf irgendeine geregelte, feste Anstellung. Die innere Zerrissenheit Petyreks zwischen Zuversicht und Depression spiegelt sich in diesen Nachkriegsjahren nicht nur in seinen vielen Ortswechseln, sondern vor allem auch in seiner angegriffenen Gesundheit, die sich bei allen persönlichen und finanziellen Sorgen weiter verschlechtert. 1949 kehrte Petyrek in die Stadt seiner Studienjahre zurück: an der Wiener Musikakademie fand er endlich wieder eine feste Lehrtätigkeit, doch war er dem immensen Arbeitspensum – bis zuletzt beschäftigten ihn zudem stets gleichzeitig nebeneinander verschiedene kompositorische Projekte – und den Widrigkeiten einer völlig unzulänglichen Behausung in Wien gesundheitlich nicht mehr gewachsen. Ohne das Glück eines wirklichen Neuanfangs nach den Enttäuschungen und Entbehrungen des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit erlebt zu haben, starb Petyrek kaum 60-jährig am 1. Dezember 1951 in Wien. Somit blieb Petyrek die Chance eines Anknüpfens an seine großen Erfolge der 1920er Jahre versagt. Ob sein Schaffen in den ganz anderen ästhetischen Prinzipien verpflichteten 1950er und 1960er Jahren eine breitere Akzeptanz bzw. Resonanz gefunden hätte, wäre Petyrek nicht verfrüht gestorben, mag Spekulation bleiben. Aus heutiger Sicht – in historischer Distanz und bei ästhetischer Unvoreingenommenheit – exponiert Petyreks nahezu alle Gattungen umspannendes Œuvre erstaunlich divergierende stilistische Tendenzen der Musik des frühen 20. Jahrhunderts, kontrastiert sie einander und führt sie doch zu einer persönlichen Synthese. Es mag jene stilistische Vielgestaltigkeit sein, die den Zugang zum Komponisten Petyrek zunächst erschwert, sie eröffnet aber zugleich ein faszinierendes Spektrum unterschiedlichster Äußerungen, die in individueller Weise die Instabilität und den Pluralismus reflektieren, wie sie das 20. Jahrhundert prägen. Lisa Mahn (Kiel) hat nach jahrzehntelanger Erforschung von Petyreks Leben und Werk in ihrer Biographie Felix Petyrek. Lebensbild eines "vergessenen" Komponisten (Tutzing: Hans Schneider, 1998) ein eindrucksvolles Porträt des Musikers und Menschen Petyrek geschaffen; ihrer Arbeit und vielfältigen Unterstützung bei der Vorbereitung dieser Einspielung gilt mein besonderer Dank. Ebenso hat Hans Valentin Petyrek (Innsbruck) dankenswerterweise wichtige Dokumente zur Verfügung gestellt. Im Schaffen Petyreks gewinnt die Klaviermusik besonderes Profil, offenbart sie am klarsten die von vielen Wandlungsprozessen geprägte Sprache des Komponisten, der aus seiner lebenslangen Praxis als Konzertpianist eine außergewöhnliche Kenntnis des Instruments und seines Repertoires schöpfte. Gerade in den Jahren des Suchens nach neuen musikalischen Ausdrucksformen, wie es sich in Petyreks Werken (und häufigen Ortswechseln...) der Zeit vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ende seines Athener Aufenthalts 1930 widerspiegelt, entstanden bedeutende Klavierkompositionen, von denen vorliegende Einspielung einen charakteristischen Querschnitt dokumentiert. Dabei kristallisieren sich ungeachtet der Verschiedenartigkeit, ja Gegensätzlichkeit der hier vorgestellten Werke wesentliche Merkmale heraus, die Petyreks Komponieren über alle Phasen ihrer manchmal schwer fassbaren Entwicklung hinweg kennzeichnen: Vorliebe für grotesken Humor, besondere Affinität zur Musik J. S. Bachs (sowie zu barocken Formmodellen und kontrapunktischen Satztechniken im Allgemeinen) und enge Verbundenheit zur Volksmusik Osteuropas. In Anbetracht dieser Charakteristika erscheinen die zu-nächst geradezu erstaunlichen stilistischen "Sprünge" Petyreks sekundär, eher wie Maskierungen eines früh ausgeprägten, in jeder Hinsicht vielseitig orientierten Geistes, der im Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Mittel- und Osteuropa einen eigenen Weg beschritt und ihn immer wieder neu zu definieren suchte. Variationen und Fuge C-Dur, 1915 entstanden und dem Andenken seines im selben Jahr verstorbenen Vaters gewidmet, ist das früheste der ab 1919 von der Universal Edition veröffentlichten Klavierwerke Petyreks. Ein choralartiges Thema, dessen aufsteigende Ganztonfolge unmittelbar zu Beginn der Fuge wieder aufgegriffen wird, stellt den Grundgedanken des satztechnisch und pianistisch höchst ambitionierten Werkes dar, das gleichsam als Hommage an seinen ersten prägenden Theorie- und Klavierlehrer gedacht ist. Offenbart jenes C-Dur-Thema, dem sich eine Reihe von immer mehr ineinander verwobenen Variationen anschließt, in seiner stark durchchromatisierten Harmonik deutlich den Einfluss Regers, so lassen sich in den gegensätzlich charakterisierten Variationen auch Spuren der Schreker-Rezeption Petyreks nachweisen, wie sie ebenfalls in den gleichzeitig entstandenen Kammermusikliedern Spät und Der Wind zu finden sind. Der groteske Witz Petyreks bricht gleich zu Beginn der (nicht nummerierten) Variationen durch: Allegro Vivo, con umore (Fast presto) lautet die Überschrift der zweiten Variation, die bereits auf die Grotesken Klavierstücke, namentlich auf den Offiziellen Empfang hindeutet. Direkt aus den Variationen erwächst die Tripelfuge, deren 1. Thema im Oktavunisono pianissimo misterioso spukhaft aus tiefstem Bassregister emporsteigt. Kontrastierend tritt im fortissimo das durch seinen Oktavsprung markante 2. Thema bald hinzu, dessen weitere Verarbeitung von kapriziöser Gestik und überraschenden dynamischen Wechseln bestimmt ist. Nach einem ersten akkordisch angelegten Höhepunkt folgt ein pastoral anmutender D-Dur-Teil, der das 3.Thema exponiert und zugleich letzten Ruhepol vor den anschließenden kontrapunktierenden Konfrontationen der einzelnen Themen darstellt. Diese polyphone Verdichtung kulminiert wiederum in einer raumgreifenden pathetischen Coda mit einer Gegenüberstellung der Fugenthemen und des Variationenthemas. Petyrek spielte dieses komplexe, höchst virtuose Werk in seinen Klavierabenden bis in seine letzten, von Krankheit und finanziellen Sorgen überschatteten Lebensjahre; unmittelbar aus der Spätromantik und ihrem Bachverständnis erwachsen, muten Variationen und Fuge C-Dur wie ein zusammenfassender Rückblick auf eine vergangene Epoche an, zunächst für Petyrek markiert durch den Tod seines Vaters 1915. Ein Jahr später starb nicht nur Max Reger, Petyreks großes Vorbild - mit dem Tod von Kaiser Franz Joseph 1. schien eine ganze Ära, die den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zu einer einzigartigen kulturellen Blüte geführt hatte, zu enden. Exemplarische Momentaufnahmen dieses Zerfalls stellen Petyreks Sechs groteske Klavierstücke dar, von denen hier die Nummern 3 bis 5, Wurstelprater (1919), Der offizielle Empfang (1920) und Ein nächtliches Abenteuer (1920) vorgestellt werden. Kein Geringerer als Erwin Schulhoff rühmte in verschiedenen Feuilletons Petyreks Wurstelprater (gemeint ist der Wiener Vergnügungspark), gleichsam Zerrbild einer anachronistischen, vom Lärm der technisierten Welt zerstörten Walzerseligkeit. Montageartig konfrontiert Petyrek in dissonanter Bitonalität Bruchstücke, die die 'alte' und 'neue' Zeit symbolisieren; geräuschhafte, von Clustern bestimmte Klangflächen prallen auf Reminiszenzen nostalgischer Selbstzufriedenheit im Stile Lehárs. Petyreks Grotesken leben von extremen Gegensätzen der Dynamik und Klangregister, integrieren zugleich in starkem Maße visuelle, szenische Assoziationen, wie es die Titel und Spiel- bzw. Regieanweisungen von Der offizielle Empfang und Ein nächtliches Abenteuer dokumentieren. So offenbart sich Der offizielle Empfang als kabarettartige Schilderung eines königlichen Besuches, der – lange erwartet und kaum angekommen – gleich wieder im Auto davonfährt: "In Erwartung", "Bitte nicht drängen", "Es klappt alles", "Hoheit ist da!", "Huldvoll. (Cercle)", "Das Auto" lauten Petyreks Regieanweisungen, die den musikalisch illustrierten imaginären Film begleiten. Auch hier prallen 'alte Welt' , repräsentiert durch 'Hoheit' (1918 besiegelte das Ende der Monarchie in Österreich-Ungarn...) und 'neue Welt', verkörpert durch 'das Auto' aufeinander; spukhaft erlischt das 1920 unzeitgemäße Szenario mit Petyreks Kommentar "Hier verschwindet das Auto um die Ecke", der dem offenen Schlusstakt angefügt ist. Ein nächtliches Abenteuer enthält zwar keine unmittelbaren programmatischen Anmerkungen Petyreks, jedoch unterstützen suggestive Aufführungshinweise wie "klimpernd" , "stotternd" oder "johlend" die Vorstellung des Interpreten, der sich an eine dämonische Nachtszene von Alfred Kubin (mit dem Petyrek kurzzeitig in Briefwechsel stand) oder Leo Perutz erinnern mag... Einige Grotesken Petyreks erschienen bereits 1922 im Grotesken-Album, das Carl Seelig – der spätere Vertraute und Biograph Robert Walsers – bei der Universal Edition veröffentlichte. In dieser Sammlung höchst unterschiedlicher Klavierstücke, zumeist aus der Feder von Schülern Schrekers (Wilhelm Grosz, Alois Hába, Ernst Křenek, Karol Rathaus und eben Felix Petyrek), zeichnen sich Petyreks Beiträge als diejenigen aus, die den Typ der musikalischen Groteske in ihrer scharfen Pointierung am klarsten definieren. "Der 'Klavierübung' vierter Teil", so lautet der Untertitel der am 16. Dezember 1924 in Abbazia vollendeten Suite über den Namen Szegoe, der als Anagramm s-c-e-g-e die motivische Keimzelle aller fünf Sätze darstellt. Dr. Coloman Szegoe war Petyreks Hausarzt in Abbazia, außerdem Förderer seiner "Freien Klasse für Klavier und Komposition". Verweist bereits der Untertitel auf Bachs "Clavierübung" so verrät auch die formale und pianistische Gestalt der Suite deutliche Anlehnung an Bach: Nach einer raumgreifenden, in ihrem improvisatorischen Duktus teilweise jazzinspiriert wirkenden Toccata folgen die vier Hauptsätze einer barocken Suite Allemande, Courante, Sarabande und Gigue, deren klangliches Profil durch strenge, harmonisch oft dissonante Zwei- bzw. Dreistimmigkeit geprägt ist. Im Vergleich zu den ebenfalls auf barocke Vorbilder bezogenen Variationen und Fuge C-Dur tritt die Wandlung besonders deutlich zutage, die Petyreks Stil in jenen neun dazwischenliegenden Jahren durchlaufen hat; formale Knappheit, Schärfung der Harmonik und radikale Reduktion des einst üppigen Klaviersatzes bestimmen nun Petyreks Klaviermusik, die immer wieder seine Vorliebe für groteske Charaktere erkennen lässt. So entbehrt auch die Szegoe-Suite nicht solch grotesker Momente, die hier vor allem durch die Polarisierung von extrem langsam und sehr schnell bezeichneten Sätzen, ebenso durch das Erscheinungsbild einer wohlvertrauten bachschen Rhetorik im befremdenden Gewand einer ungemein dissonanten Harmonik hervorgerufen werden. Beißenden Witz offenbart der Irrelohe-Foxtrott (kündet Petyreks Orthographie womöglich von seinem eigenen Spott?), mit dem Petyrek am 16. Januar 1922 in Berlin-Schöneberg eine ebenso kurzweilige wie boshafte heimliche Racheaktion an seinem einstigen Lehrer Franz Schreker verübte. Verständlicherweise ließ Petyrek dieses "Dokument" seiner problematischen Beziehung zu Schreker im Gegensatz zu den gleichzeitig entstandenen anderen Foxtrots (Arizona, Illusion) unveröffentlicht; erst in diesen Tagen (2000) erscheint eine Edition der in ihrer Art singulären Schreker-Parodie beim Verlag agentur neue musik / Rastede, der auch die Publikation der zu Petyreks Lebzeiten ebenfalls unveröffentlichten 3. Sonate besorgte. Petyreks Beziehung zu Schreker hatte sich zu Anfang der 1920er Jahre merklich verschlechtert, als Petyrek, der wenige Jahre zuvor den Klavierauszug des 2. Akts von Schrekers Oper Der Schatzgräber erstellt hatte, in Berlin zunehmende Kritik Schrekers an seinen neuesten Werken hinnehmen musste. Zudem litt Petyrek unter den unbefriedigenden finanziellen Konditionen und Lebensumständen, die seine Lehrtätigkeit an der Orchesterschule der Berliner Musikhochschule überschatteten: Petyreks unerfüllte Hoffnungen projizierten sich somit auf Franz Schreker, der als Rektor seit 1920 die Berliner Musikhochschule leitete und gerade in den frühen 1920er Jahren den Höhepunkt seines Ruhmes erlebte. In seinem lrrelohe-Foxtrott banalisiert Petyrek zentrale Motive, die dem 1. Akt aus Schrekers Oper Irrelohe entstammen; schonungslos wird Schrekers visionäre Musik gleichsam von der Opernbühne in den Berliner Straßenverkehr gestoßen, wie er kurz vor Ende der bissigen Trivialisierung durch Petyrek mit dissonanten 'Hupen' lärmt. Ein Zitat der markanten Quartenschichtung aus Schönbergs 1. Kammersymphonie – von Petyrek im Manuskript "Nicht aus Irrelohe! Nur als 'rotes Tuch'" kommentiert – beendet brüsk diese Schreker-Parodie, die zugleich wie eine Parodie der damals aufblühenden Jazzeuphorie anmutet. Reflektieren bereits die Griechischen Rhapsodien aus dem Jahre 1927 all die fremdartigen, neuen musikalischen Einflüsse, die Petyrek in Athen empfing, so stellt die 3. Sonate über die 8-stufige Tonleiter c-des-es-e-fis-g-a-b in ihrer Verbindung von folkloristischer Inspiration und origineller Materialverarbeitung, von groteskem Humor und klassischer Formgestaltung einen Höhepunkt im Klavierwerk Petyreks dar. In Athen entstanden kurz nach der Geburt seines zweiten Sohnes Hans Valentin zunächst der 3. und 4. Satz im März 1928, am 21. Mai 1928 beendete Petyrek mit dem 1. Satz die Arbeit an der 3. Sonate, die er selbst nur wenige Male öffentlich aufführen konnte - nach 1933 sah sich Petyrek in Deutschland gezwungen, nicht wenige seiner originellsten, progressiven Werke aus seinen Programmen zu streichen. Bemerkenswert ist die aus zwei symmetrischen Tetrachorden bestehende 8-Ton-Skala, die in allen Sätzen das melodische und harmonische Geschehen wesentlich prägt. Obwohl diese Skala wenig später - und in völliger Unabhängigkeit von Petyreks Schaffen von Olivier Messiaen als Basis seines '2. Modus' . definiert wurde, tendiert Petyreks Klanggestaltung der 3. Sonate in eine Messiaen gänzlich entgegengesetzte Richtung. Petyreks Klaviersatz ist hier von einer rhythmisch markanten, archaisierenden Linearität bestimmt; perkussive Momente, namentlich im tiefsten (1. Satz) bzw. höchsten Register (4. Satz), wechseln mit grellen Einwürfen oder melodischen Entwicklungen, die ihrerseits direkte Anklänge an Bläserfarben hervorrufen (z. T. von Petyrek auch verbal benannt: "quasi tromba", "quasi tromboni" lauten die Spielanweisungen im 2. Satz). In humoristischer, bisweilen gar sarkastisch pointierter Distanz definiert Petyrek in der scheinbar "griechischen" 3. Sonate seinen eigentlichen Standpunkt als 'Kakanier' im Spannungsfeld zwischen Experiment und Tradition, zwischen Orient und Okzident. So assoziiert das Rondothema des Finalsatzes in seiner rhythmischen und melodischen Struktur ein durch orientalisch gefärbte Ostinatobegleitung verfremdetes 'Haydn-Thema'; manch schrilles Fanfarensignal beschwört im 1. und 4. Satz die Erinnerung an die Welt der Sechs grotesken Klavierstücke. Grotesk überdrehte Spiellaune kippt in der 3. Sonate jedoch plötzlich in ausweglose Melancholie um, wie sie das Ende des intermezzoartigen 3. und vor allem des abschließenden 4. Satzes kennzeichnet: In ihrer unkonventionellen, von extremen Gegensätzen des Ausdrucks geprägten Sprache offenbart die 3. Sonate in besonderem Maße die Individualität des Künstlers und Menschen Felix Petyrek. Kolja Lessing
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